Es war durchaus eine ungewöhnliche Audienz, die da heute im Vatikan stattfand. Papst Franziskus empfing leitende Persönlichkeiten der Evangelischen Kirche in Deutschland, und die brachten den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, gleich mit. Im Jahr des Reformationsgedenkens eine besondere Geste. Einerseits zeigt das Vorgehen, wie selbstverständlich die Ökumene im Ursprungsland der Reformation mittlerweile ist. Andererseits wurde bei dem Anlass einmal mehr die schmerzliche Trennung ins Bewusstsein gerufen. Sowohl der Papst als auch der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm erinnerten an das Problem des gemeinsamen Abendmahls für konfessionsverschiede Ehepaare. Franziskus sprach von der Notwendigkeit, den theologischen Dialog zu intensivieren. Konkreter wollte er an dieser Stelle aber nicht werden. Immerhin haben Marx und Bedford-Strohm den Papst noch einmal gemeinsam nach Deutschland eingeladen. Der Pontifex habe „wohlwollend“ geschaut, so der EKD-Ratsvorsitzende anschließend. Allerdings gab es keine offizielle Reaktion aus dem Vatikan. Der päpstliche Reisekalender füllt sich zusehends. Für 2017 noch einen Termin zu finden, wird immer schwieriger. Zumal am 24. September Bundestagswahlen anstehen.
Braucht es eine neue Reformation?
Nicht „grollend auf die Vergangenheit schauen“ sondern einen „weiteren Schritt vorwärts tun“. Das sei die Chance des Gedenkjahres, so Papst Franziskus. Wie schon mehrfach in der Vergangenheit, wenn es um Luther und die Reformation ging, zog Franziskus eine Parallele zur Situation heute. Es gehe darum, „den Menschen unserer Zeit wieder die radikale Neuheit Jesu und die grenzenlose Barmherzigkeit Gottes vor Augen zu stellen: genau das, was die Reformatoren in ihrer Zeit anregen wollten“. Was der Papst nicht sagte, aber naheliegt: Damals stellten die Reformatoren mit ihren Anliegen das herrschende System in der Kirche in Frage. Wenn Franziskus diese Parallele zieht, scheint er überzeugt, dass die Kirche heute eine ähnliche Reformation nötig hat. Und hier kommen seine Kritiker ins Spiel, die am Wochenende in Rom Protestplakate haben kleben lassen.
Gegner mit unlauteren Mitteln
Da gibt es die, denen der Papst zu protestantisch ist und zu weit auf die evangelischen Christen zugeht. Da gibt es andere, denen das Vorgehen des Papstes im Streit um den Malteserorden missfällt oder die ein oder andere Personalentscheidung im Vatikan. Auf den Plakaten war zu lesen: „Du hast die Kongregationen unter Aufsicht gestellt, Priester entfernt, den Malteserorden und die Franziskaner der Immakulata enthauptet, Kardinäle ignoriert … Aber wo ist deine Barmherzigkeit?“ Was wollen die Autoren bezwecken? Wenn Papst Franziskus Barmherzigkeit walten lässt, wird kritisiert, dass er sich nicht an Regeln halte. Wenn er durchgreift, wird ihm mangelnde Barmherzigkeit unterstellt. Auch Franziskus ist kein Heiliger. Doch gerade das Beispiel des Malteserordens zeigt, dass Führung notwendig ist, wo Überzeugungsarbeit nicht fruchtet und größerer Schaden von einer kirchlichen Institution abgewendet werden muss.