„Es ist eine besondere Reise, eine Reise des Gebets“, so Franziskus heute zum Auftakt gegenüber den mitreisenden Journalisten. Und damit liegt der Pontifex auch richtig. Seine 19. Auslandsreise wird weit weniger öffentliche Beachtung finden als sein Trip nach Kairo vor zwei Wochen. Es ist eine Reise, die keine großen Schlagzeilen produzieren wird; allerdings ist sie für den Papst wichtig. Man könnte vielleicht überspitzt formulieren: Während Franziskus mit seinen Reisen normalerweise anderen helfen will, geht es dieses Mal um ihn selbst. Jorge Mario Bergoglio hat eine ganze besondere Beziehung zu Maria. Einen Monat nach seiner Wahl weihte er am 13. Mai 2013 sein Pontifikat der Jungfrau von Fatima; er besuchte Aparecida, Guadelupe und ist jetzt in Fatima. Von den großen Marienwallfahrtsorten fehlt ihm eigentlich nur noch Lourdes. Und es ist zu hören, dass er gerne auch dorthin fahren möchte. Franziskus zieht viel Kraft aus diesem Besuch in Fatima und nebenbei bietet er ihm die Gelegenheit, sein Lieblingsthema auch marianisch zu verorten: die Barmherzigkeit Gottes.
Franziskus geht eigene Wege
Gleich zu Beginn seines kurzen Aufenthalts in Fatima überrascht Franziskus etwas. In seinem sehr emotional vorgetragenen Gebet in der Kapelle der Erscheinungen machte er, anders etwa als Benedikt XVI. bei seinem Besuch hier vor sieben Jahren, eine deutliche Anspielung auf das „Dritte Geheimnis“ von Fatima. Dort ist von einem „Weiß gekleideten Bischof“ die Rede. Weil es zwei Abschnitte später heißt, dass dieser von einer „Gruppe von Soldaten getötet“ wird, hatte man dieses Geheimnis auf das Attentat auf Papst Johannes Paul II. am 13. Mai 1981 auf dem Petersplatz in Rom gedeutet. Franziskus erwähnt die Ereignisse um seinen Vorgänger mit keinem Wort. Aber er greift das Bild des „Weiß gekleideten Bischofs“ auf. Er holt es aus der Vergangenheit in die Gegenwart. Als der damalige Kardinal Joseph Ratzinger im Jahr 2000 das Dritte Geheimnis auf Wunsch von Johannes Paul II. veröffentlichte, stellte er fest: „So weit einzelne Ereignisse dargestellt werden, gehören sie nun der Vergangenheit an.“
Franziskus erklärte heute: „Als in Weiß gekleideter Bischof gedenke ich all jener, die mit den reinen Gewändern der Taufe in Gott leben wollen und die Geheimnisse Christi betend betrachten, um den Frieden zu erlangen.“ Später weitet er das Bild auf die ganze Kirche: „In der Freude des Evangeliums werden wir die in Weiß gekleidete Kirche sein mit den Gewändern, die im Blut des Lammes rein gewaschen wurden, das auch heute vergossen wird in den Kriegen, welche unsere Welt zerstören.“ Dem setzt er das Beispiel der beiden Hinrtenkinder entgegen. Franziskus bietet damit eine ganz eigene Deutung des Dritten Geheimnisses an und macht deutlich, dass es für ihn noch immer Gültigkeit besitzt.
Gott ist auch ohne Maria barmherzig
Auch an einer anderen Stelle setzt er einen interessanten Akzent. Fatima ist ein Wallfahrtsort, an dem das Thema Buße eine große Rolle spielt. Im Text des Dritten Geheimnisses ist von einem Engel mit einem Feuerschwert die Rede, der mit lauter Stimme gen Erde ruft: „Buße, Buße, Buße!“ Maria lässt seine sprühenden Funken und Flammen erlöschen. In Fatima bewegen sich die Gläubigen zum Teil kniend über den mehrere hundert Meter langen Platz zur Erscheinungskapelle. Über dem Platz liegt immer eine kleine Rauchsäule. Riesige Kerzen brennen neben der Kapelle, mit denen Gläubige ihren Anliegen besonderen Ausdruck verleihen. In diese Situation hinein spricht Franziskus am Abend beim Rosenkranzgebet sein Credo: „Wir müssen die Barmherzigkeit dem Gericht überordnen.“ Franziskus wehrt sich gegen eine Frömmigkeit, die in Christus einen „grausamen Richter“ sieht und Maria als gütiger erscheinen lässt als Christus. Will heißen: Gott selbst ist Barmherzigkeit, nicht das Handeln Marias macht ihn zum Barmherzigen. „Und so sind wir im Glauben, der uns mit dem Kreuz Christi verbindet, von unseren Sünden frei. Legen wir jede Form von Angst und Furcht ab, denn das ziemt sich nicht für jemanden, der geliebt wird.“
Und Franziskus betont, beten allein nutzt nichts. Vielmehr müsse man dem Vorbild Marias folgen und auch handeln. Maria ist für Franziskus ein Vorbild im Handeln: „Sie, die sanfte und fürsorgliche Mutter aller Bedürftigen, möge ihnen den Segen des Herrn erwirken! Auf jeden der Entrechteten und Unglücklichen, denen die Gegenwart geraubt wurde, wie auf jeden der Ausgeschlossenen und der Verlassenen, denen die Zukunft verwehrt wird, und auf jeden der Waisen und der Opfer der Ungerechtigkeit, denen eine eigene Vergangenheit nicht zugestanden wird, komme der Segen Gottes herab.“ Jeder Gläubige solle nach dem Vorbild Marias „zu einem Zeichen und Sakrament der Barmherzigkeit Gottes werden, des Gottes, der immer vergibt und alles vergibt“. Schon in seinem Gebet am Nachmittag hatte er betont, die Gläubigen sollten „Mauern niederreißen“ und „Grenzen überwinden, wenn wir zu den Peripherien hinausgehen und die Gerechtigkeit und den Frieden Gottes kund tun“.
Franziskus bewegt mit seinem Besuch in Fatima vielleicht nicht die Welt. Aber Theologen dürften an diesem Besuch noch eine Zeit zu knabbern haben.